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02.11.00

BUNDinformation zur Pressemeldung der RHEINPFALZ vom 31.10.00

Naturschutzgroßprojekt Bienwald

Opfer kleinkarierten Parteienzanks. Politisch Lied ein garstig Lied

"Zu Wahlkampfzeiten bringt im Parteienstaat offensichtlich niemand mehr die menschliche Größe und das Format auf, Brücken zu bauen. Lieber lässt man es zu, dass eine große, in 11 Jahren herangereifte Idee - selbst in Abstimmungskumpanei mit dem äußersten rechten Rand - hoffnungslos niedergetrampelt wird".
Dieses niederschmetternde Fazit zog der BUND-Landesvorsitzende Ulrich Mohr aus der Entscheidung des Kreistages Germersheim gegen das Naturschutzgroßprojekt Bienwald am vergangenen Montag. Hierbei wurden nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke, sondern immerhin auch rund 20 Millionen Mark leichthändig aus dem Fenster geworfen.

Letztlich bleibt es eine Geschmacksfrage, ob man in dem Vorgang eine Tragödie, eine Tragikomödie oder eher eine Art Komödienstadel sehen will. Wie konnte dieser blamable Eindruck von Dumpfheit und Provinzialismus zustande kommen?

  • Da ist eine in der Landeshauptstadt regierende SPD, die vor der Haustür ihres Ministerpräsidenten sich ein naturschutzpolitisches Profil geben will. Dabei übersieht sie im löblichen Eifer, dass man eine der Allgemeinheit dienliche Sache nicht zu auffällig als Parteiangelegenheit handhaben darf, dass Eifer und Engagement schnell als Selbstdarstellung wahrgenommen werden.
  • Da ist eine CDU, die in den meisten der betroffenen Kommunen die Mehrheit hat und offenbar viel zu selbstbewusst ist, um sich vom politischen Konkurrenten fernsteuern zu lassen.
  • Da ist ein Umweltministerium, das vom fernen Mainz aus kein effektives Krisenmanagement hinbekommt. 
  • Da sind Planer, die ohne Sensibilität und unfähig, sich in der Sprache der betroffenen Bevölkerung verständlich zu machen, drauflos planen.
  • Da ist ein ausgerechnet jetzt urlaubender Sozialdemokrat, der das Abstimmungsdesaster hätte verhindern können.
  • Da ist ein anderer, der das Ruder hätte herumreißen können: ein Dr. Fritz Brechtel, Biologe und Landratskandidat der CDU; pikanter Weise jemand, der das Projekt als der ausgewiesene Bienwaldexperte von Anfang an mit hohem Kenntnisstand und Engagement begleitet und gefördert hat. Jetzt hat er sein wissenschaftliches und naturschutzpolitisches Gewissen kampflos der Parteiraison geopfert. Die Wege zu hohen Ämtern sind halt oft mit Opportunismus gepflastert.
  • Was ist das Traurige an dieser Entscheidung, bei der die Sicht von Dorfpolitikern zur Richtschnur von Kreispolitik erhoben wurde?
  • Ein bisschen Wildnis scheint sich ein reiches Land wie das unsere nicht leisten zu wollen, - selbst wenn sie vergoldet wird. Da müssen Vorstellungen von angeblichen Schädlingsbrutstätten herhalten, die tief in der Volksseele schlummern, wissenschaftlich aber nicht haltbar sind.
  • Einer nicht nur mit Glücksgütern gesegneten Region wird aus pure Rechthaberei ein Förderkapital von um die 20 Millionen Mark vorenthalten.
  • Vor die Tür gesetzt und wieder einmal in die Resignation getrieben werden jetzt guter Wille und in vielen Jahren heranwachsendes Engagement. Dies betrifft die ehrenamtliche Arbeit der Naturschutzverbände und die Arbeit der Naturschutzbehörden. Desavouiert fühlen muss sich der mit großem Elan gegründete Förderverein für das Bienwald-Projekt.
  • Vor allem auch so mancher Landwirtschaftsvertreter, der sich Argumenten zugänglich gezeigt hat und sich Zukunftsperspektiven durch Förderbeiträge erhoffen durfte, wird sich an der Nase herum geführt sehen. Ähnliches gilt für die Forstwirtschaft, die sich dem Projektgedanken geöffnet hatte.

Für den BUND bleibt die bohrende Frage: Warum können Politiker sich über Parteigrenzen hinweg viel leichter einigen, wenn es um die Verwirklichung von Industrieprojekten geht, nicht aber, wenn Nachhaltigkeit, Natur- und Artenschutz auf dem Spiele stehen? 

Wen wundert es, wenn die Leute angesichts des Bienwald- Desasters sagen: "Politisch Lied, ein garstig Lied"? 

Ur-Ängste der CDU im Kreis Germersheim

(Die Ur-Ängste der CDU im Kreis GER)

Weitere Informationen beim BUND-Regionalbüro Pfalz

oder per E-Mail: [email protected]

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Auszug aus der Online-Zeitung RON der RHEINPFALZ

Bienwald-Projekt abgelehnt 

KREIS GERMERSHEIM: Gestern vom Kreistag bei Stimmengleichheit

Der Landkreis Germersheim wird die Trägerschaft für das Naturschutzgroßprojekt Bienwald nicht übernehmen. Mit Stimmengleichheit (21:21) lehnte der Kreistag gestern die Vorlage der Kreisverwaltung ab, die zur Zustimmung aufforderte. 

Für das Projekt sprachen sich SPD, Freie Wähler, Grüne und FDP aus, dagegen CDU und Republikaner. Ein SPD-Kreistagsmitglied fehlte wegen eines schon länger gebuchten Urlaubs. Der Kreistag Südliche Weinstraße hingegen stimmte gestern bei drei Enthaltungen dem Projekt einhellig zu.

Zu Beginn sagte Landrat Gottfried Nisslmüller (SPD), die Umsetzung des Projekts wäre ein "gewaltiger Image-Gewinn für den Landkreis". Die Gegner sollten ihre Verärgerung wegen des Verfahrens zurück stellen, die eigentliche Planung beginne erst in den ersten beiden Projektjahren. Harald Seiter (CDU) kritisierte das aus seiner Sicht "völlig verkorkste" Verfahren; die Kommunen sollten wohl "überrumpelt" werden. Dabei, so Seiter, decken die Gemeinden, die das Projekt ablehnen, 70 Prozent der Fläche ab, um die es gehe.

Der CDU seien die Risiken des Projekts zu groß, so Seiter: "Wir wollen den Bienwald in seiner heutigen Funktion und Erscheinungsbild erhalten wissen."
SPD-Landratskandidat Dr. Kurt Seibert plädierte dafür, der Natur Raum zu geben. Seine Argumente: Der Hochwasserschutz profitiere von der Vernässung, die Kommunen profitieren von den Möglichkeiten bezüglich des Ökokontos, Landwirtschaft, Naturschutzverbände und viele Gemeinden seien für das Projekt und 24 Millionen Mark in zwölf Jahren seien aktive Wirtschaftsförderung.

Jutta Wegmann (Grüne) sagte, der Forst habe Massenvermehrungen von Insekten "bisher immer in Griff gekriegt". Die Ablehnung rühre wohl daher, dass es "ungewohnt" sei, "der Natur ihren Lauf zu lassen".

Jürgen Thomas (Freie Wähler) sagte, das Projekt sei "dilettantisch verkauft" und anfangs in "Parteiküchen ausgekocht" worden. Die Freien Wähler hätten sich dann selbst informiert, ihre Bedenken seien jetzt "weitestgehend ausgeräumt", letzte Sicherheit gebe es "bei Experimenten mit der Natur" nicht. Jens Przygode (FDP) sah bei den Abstimmungen in den Gemeinden kein eindeutiges Votum. Auch die Aussagen der Fachleute ergäben keine letzte Klarheit, eine Entscheidung fordere "Mut".

Der 3. Kreisbeigeordnete und CDU-Landratskandidat Dr. Fritz Brechtel meldete sich zu Wort, um auf Hinweise zu antworten, er habe Anfang der 90-er Jahre das Projekt mit initiiert. Brechtel bestätigte, das er "früher sehr aktiv für dieses Projekt eingetreten" sei. Allerdings sei es mittlerweile lange in den Schubladen gelegen, er wolle aber Gemeinden und Bürger mit einbeziehen. Er halte das Projekt deshalb "zum jetzigen Zeitpunkt und in dieser Form nicht für zustimmungsfähig".

Dr. Wolf van Osten, Leiter der Abteilung Naturschutz im Umweltministerium, sagte nach der Abstimmung auf Fragen der RHEINPFALZ: "Von der Tendenz her: Das wars." Zwar wäre es möglich, das Projekt in abgespeckter Form unter der Trägerschaft des Landes durch zu führen. Er nehme aber an, das dies nicht geschehe. Und das Umweltbundesamt habe bereits Anträge für 14 andere Projekte auf dem Tisch liegen. (lap)

Quelle: RON - RHEINPFALZ ONLINE, 31. Okt. 2000  [zurück]